Barbara Nowys große Themen sind das Meer und die Landschaft. Die gebürtige Bremerin wandert gern und fühlt sich der Natur sehr verbunden: „Ich bin Natur, glaube ich!“, sagt sie über sich selbst. Jahrzehntelang wohnte sie in West-Berlin. Nach der Wende konnte die Künstlerin ihre Sehnsucht nach der freien Natur in Mecklenburg stillen.
Eine geradezu ideale Verbindung von Land und Wasser findet die Malerin im Soll. Das ist keine buchhalterische Unannehmlichkeit, sondern eine geologische Kuriosität in Mecklenburg. Ein Soll ist ein mit Wasser gefülltes Erdloch. Diese kleinen Tümpel sind aus Eisblöcken entstanden und beleben die Landschaft wie Augen ein Gesicht. Häufig sind sie in der Umgebung des Ortes Schwaan anzutreffen. Zuweilen sind die Sölle begrenzt von steilen Erdwänden, entstanden aus kompostierten Heidestrünken, Kiefern und Sand. Auf dem Gemälde eines solchen so genannten „Pottsolls“ kontrastieren die Blau- und Grüntöne mit dunklem Braun und Beige.
Wir wandern noch weiter nördlich mit der Künstlerin an die Ostseeküste. Auch in Ahrenshoop und auf Rügen malt Barbara Nowy. Am Meer entstehen die großen einsamen oder dramatischen Seestücke. Das Bild „Meeressaum“ etwa gehört dazu oder „Die große Welle“, deren Tosen man zu hören glaubt. Die Künstlerin skizziert dazu in der Natur und gestaltet dann im Studio die Gemälde, meist mit ein wenig dunkleren Farbnuancen. Und immer mit dem Spachtel, der vermittelt das Gefühl des Handfesten. Genauso wie Barbara Nowys Bilder sich nicht mit Kinkerlitzchen, mit Schönlinigkeiten oder Kitsch aufhalten. Die Gemälde sind von echtem Schrot und Korn. Die große Inspiration kommt aus der Natur, die Künstlerin fügt hinzu und ignoriert Überflüssiges. So entstehen Bilder voller vibrierender Farben. Es gibt Menschen, die nicht müde werden, aufs Meer zu schauen, das niemals langweilig erscheint. So ist auch der Blick auf Barbara Nowys Gemälde stets spannend, und erst recht, wenn man die Bilder schon gut zu kennen glaubt, denn es gibt immer Neues zu entdecken.
Auf den ersten Arbeiten der Künstlerin, etwa „Blick in die Natur“, schauen fest gebaute Gestalten versunken in die vor ihnen liegende freie Landschaft. Diese Rückenfiguren führen den Betrachter in die Tiefe des Gemäldes. Es scheint, als tauchten Barbara Nowys Skulpturen aus früheren Schaffensperioden als gemalte Figuren wieder auf. Später übernehmen Bäume die Aufgabe jener Gestalten. „Bäume geben mir Halt und strahlen Ruhe aus“, sagt die Künstlerin. Das „Birkenrelief“ ist eines der jüngsten Bilder. Mit diesem Gemälde aus pastos aufgetragener Farbe scheint sich der Kreis zu schließen. Die Künstlerin verbindet die zweidimensionale Malerei mit der dritten Dimension und lässt ein Relief entstehen.
„Maler müssen einsam sein, um solche Bilder zustande zu bringen“, sagt Barbara Nowy. Vielleicht ist es kein Zufall, dass der berühmte Maler von der Ostseeküste, der Romantiker Caspar David Friedrich, einst an seine Frau schrieb: „Alles ist Stille-Stille-Stille um mich her; […] allein und immer allein; es tut mir wohl, aber immer möchte ich es nicht so haben.“
Judith Meisner